T003

Think of Tomorrow - Blog zur nachhaltigen Unternehmensführung

T003

Nachhaltigkeit als gesellschaftlicher Megatrend – Aufbruch in die ökologische Moderne

Das zunehmende Umweltbewusstsein und die Vorstellung von endlichen Ressourcen führt bei Verbrauchern über kurz oder lang zu einem neuen Bewusstsein, so dass Konsum nicht mehr als sinnstiftend wahrgenommen wird. Einige praktizieren einen selektiven Konsumverzicht dem speziell diejenigen Produktgruppen geopfert werden, auf die man verzichten kann, ohne wirklich unbequem zu leben; das Klimagewissen wird trotzdem beruhigt.


In den vergangenen Jahrzehnten haben die westlichen Industrienationen ihre sozialpolitischen Probleme mehr oder weniger nur durch die Steigerung des Bruttosozialprodukts gelöst. Gleichzeitig wurde so auch das Schicksal der Sozialsysteme an das Wirtschaftswachstum geschmiedet. Allerdings ist das damit verbundene Streben nach Wachstum mit einer biophysikalisch begrenzten Welt ab einem bestimmten Punkt nicht mehr vereinbar. Auch wenn einige Länder strenge Umweltauflagen umsetzen, sind die so erreichten Klimaziele nur Makulatur, wenn die umweltschädlichen Prozesse lediglich in eine andere Wirtschaftszone ausgelagert und jenseits der eigenen Landesgrenzen unter noch schlechteren Bedingungen fortgesetzt werden. Bleibt die Gesellschaft auf ihrem wirtschaftlichem Wachstumskurs – bei dem Gewinn oft über Umweltschutz gestellt wird, so sind ökologische und soziale Verwerfungen mittelfristig die Folge.


In dieser Diskussion macht ausschließlich eine globale Betrachtung des Ökosystems Sinn; hier hat sich der Begriff der „Planetary Boundaries“ herausgebildet, womit die planetaren Belastbarkeitsgrenzen gemeint sind, die anhand von zehn Dimensionen beschrieben werden: Klimawandel, Versauerung der Ozeane, Zerstörung der Ozonschicht, Stickstoffkreislauf, Phosphatkreislauf, Wasserverbrauch, Landverbrauch, Verlust an Biodiversität, Luftverschmutzung und Chemikalien in der Umwelt. Für diese ökologischen Grenzen existieren wissenschaftlich messbare Grenzwerte, deren Überschreitung voraussichtlich irreversible Störungen im globalen Ökosystem verursacht die so gravierend sind, dass dadurch die Lebensbedingungen für die Menschheit eingeschränkt werden.


Die lebensbedrohliche und zerstörerische Wirkung des Ressourcen- und Naturverbrauchs für einen ständig wachsenden Konsumbedarf ist seit Jahren bekannt. Ein ökologisches Konzept für die Zukunft der Menschheit muss die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und die Erhaltung des globalen Ökosystems miteinander verknüpfen; dieser Grundsatz ist in der internationalen Klimapolitik anerkannt und gilt als Fundament für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsgesellschaft.


Es sind also die westlichen Industrienationen – die Finanz- und die Digitalwirtschaft eingeschlossen –, die in der Lage sind einen gesamtgesellschaftlichen Wandel einzuleiten und damit diverse soziale und ökologische Katastrophen abzuwenden. Ewig vor uns herschieben, oder gar verhindern können wir die Transformation jedoch nicht – sie geschieht so oder so – „by design or by desaster“ (WBGU 2011; 49f.). Ob wir als Gesellschaft eine selbstbestimmte Transformation gestalten können hängt am Ende davon ab, ob wir ein geeignetes Handlungskonzept und eine gemeinsame Vision von einer Nachhaltigkeitsgesellschaft entwickeln können.


Der Ökonom Niko Paech liefert mit dem Konzept der Postwachstumsökonomie ein Plädoyer für Konsumverzicht und regionale Versorgungsstrukturen; damit beschreibt er zwei Säulen einer nachhaltigen Gesellschaft. Eine dritte Säule stellt demnach die Emanzipation der Sozialsysteme dar, die vom Wachstumsimperativ unabhängig funktionieren müssen. Damit zeichnet sich eine enorme sozialpolitische Gestaltungsaufgabe am Horizont ab, deren Architekten wohl als die Hebammen der Nachhaltigkeitsgesellschaft gelten dürfen.


In Zukunft werden Nachhaltigkeitstechniken wie z. B. Reparaturfertigkeiten und Nachhaltigkeitsmerkmale wie z. B. die Reparaturfähigkeit von Produkten einen entsprechend hohen Stellenwert einnehmen; Retrofitting (die Restauration und Modernisierung von Industriemaschinen) ist hier bspw. als ein wegweisendes Konzept zu nennen. Gleichzeitig können aber auch digital unterstützte Pay-Per-Use-Modelle zu einer verbesserten Ausnutzung von Maschinen verhelfen und so die Investitionsplanungen bezüglich hochpreisiger (und energieaufwendig produzierter) Wirtschaftsgüter beeinflussen. So kann der Ressourcen- und Energieverbrauch langfristig eingedämmt werden, ohne den technischen Fortschritt auszubremsen.



Der Mythos des Wachstums als Allheilmittel ist also überholt – und damit ein Identitätsmerkmal der westlichen Zivilisation


Das ständige Streben nach Wachstum ist ein typisches Merkmal der klassischen Marktwirtschaft in Kombination mit einer lockeren Geldpolitik. Eine zusätzliche Triebfeder sind künstlich erzeugte Konsumbedürfnisse (etwa durch technische Neuerungen im Konsumbereich) und das Bestreben, die individuelle materielle Situation zeitnah dem eigenen sozialen Status anzupassen. Eine Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft erfordert daher auch auf der gesellschaftlich-sozialen Ebene einen Wandel von einer Haben- zu einer Sein-Mentalität.



Als der größte Treiber für das Wachstum der Wirtschaft ist aber die kontinuierliche Ausweitung der Geldmenge zu benennen. Durch die Ausweitung der Geldmenge – etwa durch die Giralgeldschöpfung – wird die Wirtschaftsleistung kontinuierlich erhöht und mit der Konjunktur steigt auch der Konsum. Da sich dieser Effekt zunächst nicht abschwächt, können die Wirtschaftsteilnehmer ähnliche Wachstumsquoten für die jeweils nächste Wirtschaftsperiode voraussetzen. Die Kosten des Wachstums werden dann jeweils in die nächste Generation der Produkte mit einkalkuliert (siehe VW Golf, oder iPhone).


Durch aufwendigere Produkte erweitert sich auch der Kreis der Zulieferer, so dass die Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer wächst und immer mehr Menschen in Arbeit kommen. Die Automatisierung führt den sozialen Aspekt der Arbeit ad absurdum. Natürlich greifen die Argumente für eine Automatisierung von bestimmten, lebensgefährlichen, oder menschenunwürdigen Tätigkeiten. Hauptargument der Automatisierung war und ist aber immer in erster Linie die Gewinnsteigerung. Da die Automatisierungsgewinne aber nicht sozialversicherungspflichtig sind, schmälern diese Maßnahmen letztlich das Allgemeinwohl.


Im Moment der Nachhaltigkeitstransformation erweisen sich diese Wachstumsschulden möglicherweise als tödlicher Ballast. Mit dem European Green Deal hat die EU-Kommission praktisch ein Stoppschild mitten auf der Konjunkturautobahn aufgestellt. Im Ergebnis befinden sich nun das Wachstumsparadigma sowie die damit verbundene Wohlstandsgesellschaft und das Nachhaltigkeitsgebot auf Kollisionskurs. Es ist nun Aufgabe der Politik und Wirtschaft in einem konstruktiven Umgang mit dieser Polarität in eine gemeinsame Transformationsarbeit zu kommen.


Die Bundesregierung hat hierzu unter der Ägide von Bundeskanzlerin Merkel das Strategiepapier „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021“ entwickelt. Es basiert auf der Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, den Sustainable Development Goals (SDGs), zu denen sich die Vereinten Nationen bereits 2015 bekannt haben. Die Erfahrung zeigt, dass Nachhaltigkeitsziele ohne eine entsprechende Regulierung nur eine mäßige Wirkung entfalten, teilweise auch nur modische Erscheinungen (Greenwashing) hervorbringen, so dass bis zum Jahr 2022 viel Manövrierraum für den Umbau der Wirtschaft verspielt wurde.


Möglicherweise ist die Transformation zur einer Nachhaltigkeitsgesellschaft das wichtigste Gemeinschaftsprojekt der Menschheit – abgesehen vom Bau der Arche Noah; gleichwohl könnte sich die Nachhaltigkeitsregulierung als Sollbruchstelle zwischen der Mehrheit der Weltbevölkerung auf der einen Seite und der Wohlstandsgesellschaft auf der anderen Seite erweisen. Der Mensch beherrscht zwar das logische Denken und kann rationalen Argumenten folgen, in seinen Entscheidungen ist er aber oft von seinen Instinkten und Leidenschaften geleitet. Einen radikalen Rückbau der Wohlstandsgesellschaft dürften die meisten Mitglieder dieser Gesellschaft als existenziell bedrohlich empfinden; damit ist der Überlebensinstinkt angesprochen und Entscheidungen fallen tendenziell weniger rational aus. Innerhalb der Wohlstandsgesellschaft muss der Eindruck entstehen, dass die Regierenden bewusst eine Politik betreiben, die den eigenen Interessen zuwiderläuft. Sofern es aber um nicht weniger als den Erhalt des globalen Ökosystems und den Aufbau eines globalen Nachhaltigkeitskonzeptes geht, kann der Bezugsrahmen für die Beurteilung der richtigen Politik nicht nur ein Teil der Weltgemeinschaft sein, und dann auch noch derjenige mit dem größten Ressourcen- und Energieverbrauch. Mit der Nachhaltigkeitsregulierung überschreitet die EU-Kommission jedoch eine Grenze: Politik bedeutet, sich mit den gesellschaftlichen Themen und Fragestellungen auseinanderzusetzen. Wo sie mehr will, wird sie totalitär.


Führen wir nun einen Verteidigungskrieg an den Grenzen der Wohlstandsgesellschaft, bis die jüngste Generation feststellt, dass sie um ihre Zukunft betrogen wurde? Oder können wir uns als Gesellschaft auf diese Transformation einlassen und dem Prozess vertrauen? Die Antwort auf diese Frage ist auf die Zukunft gerichtet: Ein dauerhaftes Überschreiten der planetaren Belastungsgrenzen ist wie ein Kredit, den die nächsten Generationen zurückbezahlen müssen. Das Abwälzen der Folgen eines übermäßigen Naturverbrauchs auf künftige Generationen ist zudem auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar – so das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss von 2021. Damit werden die planetaren Belastungsgrenzen zum ultimativen Maßstab für die künftige Lebensweise einer globalen Nachhaltigkeitsgesellschaft.

Vereinbaren Sie am besten gleich einen Termin für ein erstes Telefonat

Hinterlassen Sie hier Ihre Kontaktdaten

Newsletter abonnieren

Share by: