KI-Systeme können sowohl in rein virtueller Form als auch in Gestalt von Robotern in Erscheinung treten. Daher sind die möglichen Folgen für die Arbeitswelt entsprechend mannigfaltig.
China hat angekündigt, zum Weltmarktführer in der industriellen Produktion von humanoiden Robotern zu werden. Wenn diese Roboter in ähnlicher Weise vom Fließband "rollen" wie Autos, verringert sich der Maschinenstundensatz für Roboter kontinuierlich. Sobald der Maschinenstundensatz unter den Mindestlohn sinkt, wird der Einsatz von humanoiden Robotern zum entscheidenden Faktor beim Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.
Humanoide Roboter sind mit KI ausgestattet und können in unstrukturierten Umgebungen eingesetzt werden. Mögliche Einsatzgebiete sind also in der Produktion, im Haushalt und in der Pflege bis hin zur medizinischen Behandlung. Die Produktivität eines humanoiden Roboters wird bald mit der eines Menschen nicht mehr vergleichbar sein, da sie außer Akkuladezeiten keine Ruhezeiten benötigen. Außerdem können Roboter auch schneller und präziser arbeiten, als ein Mensch das jemals könnte.
Im Vergleich zu menschlichen Arbeitnehmern können Roboter Arbeitsvorgänge zum Beispiel in der Produktion oder in der Lagerwirtschaft schneller und kostengünstiger ausführen; gleichzeitig sinkt das Unfallrisiko. Inzwischen sind OP-Roboter in Krankenhäusern im Einsatz, die verschiedene Eingriffe beherrschen und menschliches Gewebe auftrennen und nähen können. Durch den Fortschritt im Bereich des autonomen Fahrens lässt sich der Einfluss im Personenverkehr und in der Logistik bereits vorhersehen. Inzwischen sind schon die ersten autonomen Schiffe im Einsatz.
Humanoide Roboter können physische Arbeiten von Menschen 1:1 übernehmen, ohne dass die Arbeitsumgebung angepasst werden muss. Ist ein humanoider Roboter einmal auf eine Aufgabe trainiert, kann er seine Trainingsdatei in einen Skill-Store hochladen, so dass andere Roboter darauf zugreifen können. Den berüchtigten "Fachkräftemangel" wird es in der Ära der humanoiden Roboter also nicht mehr geben. Durch die direkte Einbindung in Arbeitsabläufe können Roboter auch Erfahrungen sammeln; durch die Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz können sie diese Erfahrungen nutzen, um Innovationen hervorzubringen.
Aber auch in der Verwaltung und im Management werden KI-Systeme zunehmend in die Prozesslandschaft integriert und beschleunigen so verschiedene Arbeitsabläufe. Hier ergeben sich zwar ganz ähnliche soziale Fragen, da KI-Systeme bei rein intellektuellen Aufgaben unterstützen und diese auch vollständig autonom erledigen können. Die KI-Transformation bringt nicht nur völlig neue Berufe mit sich, wie z. B. den AI-Engineer, oder den AI-Trainer. Die Arbeit mit KI-Systemen erfordert auch bestimmte Fähigkeiten, wodurch sich künftig die Anforderungsprofile einzelner Berufe verändern werden.
Durch die Einbindung von KI-Systemen in die Arbeitswelt lassen sich bestimmte Abläufe beschleunigen und Wartezeiten verkürzen; Routineaufgaben können automatisiert werden und es bleibt mehr Zeit für Kreativität. Generell steigt die Wertschöpfung durch den Einsatz von KI, ohne dass dafür zusätzliche Arbeitsplätze benötigt werden. Zudem wird die Fähigkeit KI-Systeme zu entwickeln wertvoller und höher bezahlt werden als die operative Arbeit mit KI-Systemen.
Und genau hier beginnt das Problem mit der sozialen Marktwirtschaft, in der die soziale Absicherung unmittelbar mit der individuellen Arbeitsleistung verknüpft ist. Wenn weniger Arbeit da ist, reduziert sich auch der finanzielle Beitrag in die Sozialsysteme. Transferleistungen, die aus eben diesen Töpfen gezahlt werden, könnten aber genau dann ansteigen. So gerät das System unter erheblichen Druck.
Die Auswirkungen der KI-Transformation betreffen also nicht nur die Produktivität, sondern auch die sozialen Folgen, also den Verlust von Arbeitsplätzen und damit den Wegfall des Einkommens. Automatisierung war bisher immer vom Verlust von Arbeitsplätzen begleitet. Auch die Idee der Sozialversicherungspflicht für Maschinen wurde bereits diskutiert, wenn auch nur am Rande und ohne nennenswerten Erfolg. Durch den Einsatz von humanoiden Robotern könnte diese Diskussion erneut angestoßen und sogar weiterentwickelt werden.
Gesamtgesellschaftlich betrachtet hat die KI-Transformation das Potenzial dazu, die Kluft zwischen Arm und Reich zu vergrößern. KI kann Arbeit für alle reduzieren - ob das ein Risiko, oder ein Chance für die Gesellschaft ist, hängt davon ab, wie der Wohlstand verteilt wird. Das bedeutet nichts anderes als eine faire Beteiligung aller Mitarbeitenden an der gemeinsamen Wertschöpfung. Und was ist mit denen, deren Arbeitsplatz von einem humanoiden Roboter übernommen wurde?
Der industrielle Einsatz von humanoiden Robotern könnte dahingehend reguliert werden, dass Unternehmen humanoide Roboter nur auf Grundlage eines Anstellungsvertrages beschäftigen dürfen, wobei jeder humanoide Roboter jeweils einer natürlichen Person zugeordnet wird. So entstünde ein reales Arbeitseinkommen für jeden Besitzer eines humanoiden Roboters. Noch ist dieser Gedanke reine Utopie, aber um die Zukunft zu gestalten, müssen wir das Undenkbare denken.
Wir müssen uns fragen, ob wir die KI-Transformation sozial gestalten wollen, und wenn ja, wie. Vor uns liegt eine spannende Debatte am Grenzbereich zwischen sozialer Marktwirtschaft, unternehmerischer Freiheit, Kapitalismus und
Nachhaltigkeit.